Blitz und Donner
Mit großer Freude konnten wir festellen, daß unzählige Solidaritätsaktionen im europäischen - wenn auch hauptsächlich im italienischen - Raum stattgefunden haben und hoffentlich immer mehr stattfinden werden. So erreicht uns die Nachricht, daß in Griechenland vor einem italienischen Konsulat ein Picking stattgefunden hat. In der Schweiz wurden mehrfach Protestbriefe an die italienischen Konsulate verschickt. Froh waren wir auch über das Interesse und die Veröffentlichungen der Texte durch deutsche GenossInnen und durch anarchistische Publikationen in Deutschland, der Schweiz, in Österreich und in England. An dieser Stelle möchten wir uns bei all denjenigen bedanken, die sich mit uns in Verbindung gesetzt haben und mit ihren Mitteln ihre Solidarität ausgedrückt haben. Um den Geschehnissen in Italien soviel wie möglich Freiraum zu geben, folgen hier noch einige Vorfälle, die im Zusammenhang mit der Welle der Repression stehen. Wir müssen dazu sagen, daß es viel, viel mehr Vorfälle und Aktionen gab, die wir aber wegen Platzmangels nicht alle auflisten können.
Hausdurchsuchung: Am 2. Oktober haben die Agenten der Politpolizei, Prosperini Giorgio, Massari Antonio, Brizi M. Gubinelli A., Sargeni M. aus Viterbo, die Wohnung von Massimo von Applequince Records – eines selbstproduzierenden Anarcho-Punk Labels – auf Anordnung des stellvertretenden Staatsanwalt Pietroselli Renzo aus Viterbo durchsucht, und ihm das Delikt der "subversiven Vereinigung in Mittäterschaft von Unbekannten“ vorgeworfen. Zahlreich und witzig das beschlagnahmte Material: Platten, Flugis, Fanzines, Spraydosen, Videos, Plattencovers. Wie ihr seht, fehlt es unseren Inquisitoren nicht an Phantasie.
Worum es wohl geht? Vielleicht handelt es sich um den Geist der Nachahmung und des Nacheiferns gegenüber den bekannteren Kollegen aus Rom oder Florenz? Wir werden es sicher bald erfahren.
Teramo: In der Nacht des 11. Oktober, wurden in Teramo drei Jugendliche von der Polizei angehalten, als sie gerade damit beschäftigt waren, die Plakate "Unkontrollierbar“ zu befestigen. Die drei Jugendlichen wurden erst verhört, dann angezeigt. Soweit nichts Außergewöhnliches. Nachdenklich macht dann aber das Gewicht, das die lokale Presse diesem Vorfall gab. Eine einfache solidarische Plakat-Aktion wurde plötzlich zu einem gefährlichen Angriff und die drei angehaltenen Genossen erschienen sogar als "anarchistisches Kommando“ auf den Titelseiten. Vielleicht fürchtet man in dem Provinzstädtchen Teramo Solidarität? Solidarität mit den festgenommen AnarchistInnen, die sich mit der Zeit wie ein Ölfleck verbreitet hat? Im übrigen hat das Schmierblatt von Teramo in diesem Zusammenhang auch das fragliche Plakat veröffentlicht. Diese schleimigen Staatsdiener sind hin und wieder doch noch für etwas gut.
Turin: Am 23. Oktober, parallel zu den Verhörungen dreier Anarchisten durch die ROS verteilten zwei Gruppen vor der Kaserne der Carabinieri Flugblätter. Jemand öffnete in der zentralen Via Cernaia ein Transparent: "Marini Terrorist“. Vier Genossen wurden auf die Wache gebracht und wegen "Verunglimpfung“ angezeigt.
Prügel: In der Nacht vom 24. Oktober wurde ein Graffitisprayer, der seinem Zorn gegen die Konstruktion von Marini & Co. Lauf lies, mehrmals verprügelt. Sein Pech war, von einem Fußgängerpaar beim Sprayen beobachtet zu werden. Der Mann des Paares, ein Finanzbeamter in Freizeit, sprang sofort in das Kostüm des Heldens und verprügelte den Graffitisprayer. Dann schickte er eine Brieftaube zu den Carabinieris los. Diese befanden sich innerhalb weniger Minuten vor Ort und stellten fest, daß eine Tracht Prügel nicht ausreichen würde. Also alles noch mal von vorne. Schließlich kam dann auch noch die Polizei hinzu. Das gab dann den dritten Posten der unnötigen Prügel - unnötig, da man die Prügel eines Staatsdieners immer leicht verdaut und diese nicht ins Gehirn eindringen können. Unnötig, weil sie begleitet waren von Sätzen wie "Hey was ist das, Canenero? Wir haben fünf Jahre Ermitttlungen gebraucht, um die alle in den Knast zu kriegen, und jetzt gehn die uns immer noch auf den Sack. Canenero, Canemorto! (schwarzer Hund, toter Hund)“ begleitet waren. Wir können versichern, daß der Canenero lebt, und zwar noch zorniger als vorher. Unnötig die Prügel, denn solche Gewaltaktionen zeigen nichts anderes als ihre wahre Natur. Und das ist nie gut für eine demokratische Diktatur, die den angeschlagenen Köpfen ihrer Bürger die Illusion der Freiheit vorgaukeln möchte.
Lustige Plakate gegen die Staatsanwälte Marini und dessen repressive Aktionen sind am 7. Oktober in Rom aufgetaucht. Besonders vergnüglich war eines, welches den Tod der Pflaume Bruno Giardina (Staatsanwalt Trient) verkündete und seine Beerdigung, die angeblich von der Beerdigungsfirma Marini organisiert werden soll.
Überraschung! In der Nacht des 24. Oktober sind unbekannte anarchistische Hände in den Palast der Gran Guardia in der Stadtmitte von Verona eingedrungen. Ungestört haben sie alle Paneels und Marmorskulpturen einer Austellung, die von der Gemeinde und einigen Teilen der Industrie gefördert worden war, mit Plakaten über die Repressionswelle gegen die AnarchistInnen tapeziert. Zusätzlich schrieben sie noch solidarische Worte für die gefangenen und inquisierten AnarchistInnen auf die Wände. Die Ausstellung wurde eingestellt: großer Sachschaden. Die Polizei ermittelt und die AnarchistInnen lachen sich ins Fäustchen. Weiter so!
Am 5. November hatten die Bewohner zweier besetzten Häuser in Verona unerwünschten Besuch von Carabinieri. Diese – in zivil, Hand an der Waffe und ohne irgendeinen Durchsuchungsbefehl – kamen mit der Begründung, "Anarchisten zu suchen“. Wahrscheinlich bezog sich das auf einen Totalverweigerer, der in einem dieser Häuser wohnt und noch eine Haftstrafe absitzen muß. Sie haben ihn nicht gefunden. Dieser Totalverweigerer, der natürlich überhaupt keinen Bock darauf hat, als Gast in einem staatlichen Gefängnis zu landen, ist schon seit längerem unauffindbar.
Am 6. November durchsuchten Carabinieri die Wohnung von Italino Rossi, Verwalter der anarchistischen Wochenzeitung Umanitá Nova. Die Carabinieri suchten nach Waffen, welche sie natürlich nicht gefunden haben. Die Hausdurchsuchung scheint im Zusammenhang mit Ermittlungen zu stehen, die wegen der immer auftretenden Attentate auf Strommasten in der Toskana geführt werden.
Am 6. November erschien die DIGOS (politische Polizei) in den Wohnungen von drei bis vier Punx in La Spezia und in Sarzana. Entsprechend den Durchsuchungsbefehlen wollten sie Materialien, die "Ordnungshüter verachten“, und andere subversive Gegenstände finden. Zwei Punx wurden aufs Revier gebracht und ED-mißhandelt.
Eine kleine Liste des beschlagnahmten Materials: Zeitungen (immer auch der Canenero), Broschüren, alle Nummern des Bulletins Rivoluzionaria Azione, Ausgaben des Punk Generation Fanzins, Sprühdosen, Schablonen(!), Flugis, die mit "punx spezzini“ (Punx aus La Spezia) unterschrieben waren, Artikel, Briefe und Mitteilungen aus dem Knast (von Marzio, Tesseri, Garagin...).