Vier AnarchistInnen – Antonio, Jean, Christos, Carlo – werden nach einem Überfall festgenommen. Der Staat hat beschlossen, daß dieser Überfall nicht ausreicht: er muß mit drei multipliziert werden. Zwei ungelöste Fälle liefern das dazu nötige Material. Ein kleines Mädchen, welches sich nicht einmal mehr an die Anweisungen erinnert, die sie von den Richtern bekam, erfindet ihre Teilnahme an zwei Überfällen. Sie erinnert sich an nichts, aber sie hat bereits drei andere AnarchistInnen in die Sache hineingezogen.
Die Richter Vigna und Marini möchten dasselbe Mädchen benutzen, um anarchistische Veröffentlichungen und Initiativen, zusammen mit tausenden anonymen Aktionen gegen bestehende Strukturen der Macht, in eine bewaffnete Bande mit Führung und Organisationsstrukturen umzudeuten: Der Staat sieht sein eigenes Spiegelbild.
Diese Farce hat in erster Instanz bereits zu Urteilen gegen GenossInnen geführt. Am 7. November findet in Trient die zweite Instanz statt: Der makabre Tanz wiederholt sich.
Im Licht dieses Spektakels von Macht und Tod sind die einzigen lebendigen Elemente unsere GenossInnen und die Solidarität, die sie verbindet. Die Gerichtshöfe können diese Solidarität nicht verschließen. Sie wächst über sie hinaus, hin zu Freiheit, Revolte und Spaß.
Erneut werden unsere GenossInnen in dieser Show präsentiert werden: wie Tiere in Käfigen, Opferfiguren auf einer Bühne, die sie in passive ZuschauerInnen verwandelt, in Konsumenten einer weiteren unglaublichen Posse. Das Drehbuch will uns da wieder sehen.
Richter, eure Spielregeln sind klar: jeder im Gericht trägt eine Maske. Doch der Fehler ist einfach... das Leben: Ihr wollt verteidigen – ihr werdet angegriffen werden. Ihr wollt Wasser – ihr werdet Feuer bekommen. Wir werden das Spiel bestimmen: Überall!
Jean Weir - Herbst 1996
Ich, Salvatore Gugliara, geboren in Pescara den 21.03.1996, momentan im Gefängnis Rebibbia in Rom inhaftiert erkläre im vollen Besitz meiner geistigen Fähigkeiten, daß ich von heute, dem 14. Oktober 1996, an den Hungerstreik, den ich am 17. September angefangen und am 29. September unterbrochen hatte, wieder aufnehme. Dieses Mal jedoch erweitere ich den Streik auch auf die Verweigerung von Flüssigkeit und Zucker, um gegen die Entscheidung der Richter des "Haftprüfungsgerichtes“ zu protestieren. Das Haftprüfungsgericht hat durch seine Entscheidung die wackelige inquisitorische Theorie der Staatsanwälte Marini und Ionta unterstützt. Eine Theorie der Inquisition, die uns alle kriminalisiert sehen will.
Dieser zweite Hungerstreik unterscheidet sich von den vorangegangenen durch die extremeren Bedingungen, unter denen er durchgeführt wird. Er ist, mit diesen Bedingungen, durchaus Frucht einer nüchternen und durchdachten Entscheidung und nicht von Emotionalität bestimmt.
Ich möchte alle davon abhalten, meinen Kampf für demokratische oder humanistische Zwecke zu benutzen. Dies hier ist und bleibt der Kampf eines unzähmbaren Individuums, gegen die Lügen und die Rachsucht der Macht.
Salvatore Gugliara
Salvatore wurde auf Grund seines Gesundheitszustandes in Hausarrest gebracht, d.h. er kann bei sich daheim bleiben, darf aber die Wohnung nie verlassen. Wird die Wohnung verlassen, gilt das als Ausbruch. Dem Hungerstreik schlossen sich auch Giuseppina Riccobuono und Tiziano Andreozzi an. Giuseppinas Gesundheitszustand verschlimmerte sich deutlich. Sie wurde erst in ein Krankenhaus außerhalb des Gefängnisses gebracht und dann, ebenso wie Salvatore Gugliara und Cristina Lo Forte, in Hausarrest geschickt.
Nach dem Verlassen des Gerichtssaals am 7. November wurde Carlo Tesseri von Wärtern verprügelt. Er schreibt dazu:
"...Beim Knast in Montorio angekommen, habe ich dagegen protestiert, daß sie Antonio und mich getrennt hielten, obwohl wir kein Zusammenlegungsverbot haben. An diesem Punkt packte mich ein Wärter und zog mich in eine Zelle. Daraufhin habe ich ihn angeschrien, er solle sich soetwas nie wieder erlauben. Er hat so getan, als würde er mir den Schlüssel nachschmeissen wollen, und hat dann die Türe der Zelle zugeschmissen. Ich wurde etwas sauer, und habe ihm noch einige Worte hinterhergerufen. Nachdem sie dann Antonio in eine andere Zelle gesperrt hatten, sind sie zu mir zurückgekommen – sie waren etwa zu siebt – und haben mir mit Tritten und Fäusten ins Gesicht geschlagen. Ich habe versucht zu reagieren, aber das war hoffnungslos gegen sieben Wärter.
Nach ungefähr einer halben Stunde kam ein Inspektor zu mir und fragte mich, ob ich irgendein Problem hätte. Ich antwortete ihm, ich hätte kein Problem, und daß ich mich um den Vorfall persönlich kümmern würde.
Der Inspektor meinte, daß, wenn etwas vorgefallen wäre, er nichts gesehen und gehört hätte. Ich wiederholte ihm, daß es kein Problem wäre, wenn er nichts gesehen und gehört hätte. An dieser Stelle haben sie mich wieder in den Trakt gebracht, in den ich vor ein paar Tagen gekommen bin. Ich möchte, daß dieser Vorfall in der Szene bekannt wird...“