Blitz & Donner

Derzeit findet ein regelrechter Kampf der indigenen Mapuche um ihr Land im argentinischen Patagonien statt. Die Mapuche leben von Viehzucht. Ihr Weideland wurde ihnen geraubt, und nun versuchen sie, mit Landbesetzungen die Rückgabe zu erreichen. Domenico Panciotto, ein italienischer Kapitalist, kaufte beispielsweise ein den Mapuche heiliges Grundstück mit Friedhöfen, Zeremonie-Stätten und Felsenmalereien, und hat es mit drei Meter hohen Stacheldraht umzäunt. Hier soll jetzt ein Campingplatz entstehen. Die Mapuche sollen nur als BilliglohnarbeiterInnen Zugang haben. Im Dezember 1996 wurden besetzte Weiden mit Polizeigewalt geräumt, mit dem Ergebnis von zwölf Verhaftungen und der Beschlagnahmung von einigen hundert Tieren. 4 Mapuche blieben 20 Tage lang in Haft, Gerichtsprozesse sollen demnächst folgen.

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London: Einige HerausgeberInnen der Green Anarchist Zeitschrift wurden von der Polizei beschuldigt, zur Brandstiftung auf der Isle of Wight (1994) aufgerufen zu haben (es handelte sich um eine Tierbefreiungsaktion). Tatsächlich aber haben sie lediglich nach dieser Aktion darüber berichtet. Nach dem Gesetz genügt es, lediglich mit der Tierbefreiung zu sympathisieren, um kriminalisiert werden zu können.

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Vanataa (Finnland): Am 3. Dezember 1996 trafen sich etwa 220 TierrechtlerInnen zu einer Demo gegen eine internationale Pelzauktion. Nachdem die AktivistInnen den Eingang zum Gebäude blockiert hatten, wurden sie von der Polizei gewalttätig geräumt. Anschließend kam es zu 40 Verhaftungen.

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In den frühen Morgenstunden des 4. Februar entgleiste in der kleinen Ortschaft Apach (nahe des Dreiländereck Frankreich/BRD/Luxemburg) ein Zug mit radioaktiven Brennelementen. Der Castor-Transport ging von Lingen (Emsland) aus und war auf dem Weg in die Aufbereitungsanlage von Sellafield in Großbritannien. Da die Beneluxländer derartig gefährliche Transporte nicht gestatten, muß der Castor um diese Länder herumfahren, nimmt somit einen enormen Umweg und zugleich ein erhöhtes Risiko in Kauf. Durch den Unfall wurde zum ersten mal öffentlich bekannt, daß solche Züge jede Woche zwei bis dreimal Apach passieren. In diesem Sinne: Castor stoppen! Hier und jetzt!

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In Toulon wurden zwei Sänger der französischen Rapband N.T.M. zu Haftstrafen von mehreren Monaten auf Bewährung verurteilt, weil sie in einem Song erklärt hatten, daß "die Polizei eine organisierte Gang sei, die von der höchsten Autorität geschützt wird".

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Der Widerstand gegen das ITOIZ Dammprojekt in Navarra, einer Provinz in den Westpyrenäen, läuft mittlerweile seit mehr als 10 Jahren. Vor einigen Monaten haben AktivistInnen sechs Eisenkabel, die für die Konstruktion des Dammes von äußerster Wichtigkeit sind, durchschnitten. Der geschätzte Schaden liegt zwischen 4,5 und 8 Millionen Pfund! Alle acht AktivistInnen wurden von der Polizei verprügelt und verhaftet, und befinden sich mittlerweile seit mehreren Monaten in Haft. Infos: Zizana, apdo. 400, 26080 Logorno.

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Am Samstag, dem 19. April, fand in dem besetzten Zentrum "La Baracca" in Scandicci bei Florenz ein Solidaritätskonzert für die inhaftierten AnarchistInnen in Italien statt. Es wurde auch eine Austellung gezeigt, die die juristischen Angelegenheiten erklärte. Als sich dann gegen drei Uhr nachts einige BesucherInnen auf den Heimweg gemacht hatten, fanden sie sich vor einer Straßenblockade aus zwei Autos der Carabinieri wieder. Die Carabinieri waren unter dem Vorwand eingetroffen, die Lautstärke der Musik zu verringern, obwohl das Konzert schon seit zehn Minuten beendet war. Der Vorwand war offensichtlich. Der Versuch einiger BesucherInnen, den Staatsdienern die Situation zu erklären, nutzte nichts. Innerhalb weniger Minuten trafen noch eine Zivilstreife und weitere vier Autos der Carabinieri ein, letztere mit Polizeihunden. Die Carabinieri, bekleidet und ausgestattet mit Spezialausrüstung, bildete eine Mauer vor den Jugendlichen, die sich, um weitere Unfälle zu vermeiden, wieder in das Zentrum zurückzogen. Die Polizei begann, auf die Jugendlichen einzuschlagen. Einige wurden an Lichtmasten festgekettet, um weiter auf sie einzuschlagen. Einem wurde dabei die Nase durch einen Kopfstoß gebrochen. Es wurden zahlreiche Schüsse abgegeben.

Als diejenigen, die sich in das Zentrum zurückgezogen hatten, bemerkten, daß sich einige ihrer GenossInnen in den Klauen der Carabinieri befanden, stürmeten sie wieder heraus und begannen, die Carabinieri mit Steinen und Flaschen zu bewerfen. Dabei kam es zu weiteren Festnahmen. Die Jugendlichen zogen sich dann wieder in das Zentrum zurück, in dem sie dann, von den Carabinieri umzingelt, bis um 7 Uhr morgen bleiben mußten. Dieser Situation wurde durch das Eingreifen eines Gemeinderates beendet. Die Bilanz des Abendes: acht Festnahmen, zahlreiche Verletzte. Die Festgenommenen wurden nach zwei Tagen wieder entlassen, unterliegen jedoch der Auflage, sich einmal wöchentlich bei den Carabinieri zu melden.

In den folgenden Tagen gab es mehrere Proteste gegen das, was bereits von Anfang an offensichtlich war: jede Solidaritätsveranstaltung für die von der Konstruktion betroffenen AnarchistInnen zu verhindern. Das hat in Florenz zu einigem Aufruhr geführt.

Nebenbei bemerkt: Der Marschall der Carabinieri, der diese Operation leitete, wurde wegen Machtmißbrauches vorgeladen. Die Gemeinde von Scandicci hatte vor einiger Zeit beschlossen, den Jugendlichen diese Räumlichkeiten weiterhin zur Verfügung zu stellen. Der Haken an der Sache: Veranstaltungen, die organisiert werden sollen, müssen mit einem Komitee von Bürgen besprochen werden. Wir sind gespannt, wie sich die Jugendlichen vom "Baracca" entscheiden werden: sich mundtot machen zu lassen oder ihr Leben selbst zu verwalten.

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Zu einem Polizeieinsatz, der an die "guten alten Zeiten" der Hamburger Hafenstraße erinnerte, kam es Anfang Juni in Frankfurt. Es waren jedoch nicht vermummte und "gewalttätige" Autonome, die von ihren "staatsfeindlichen Aktionen" abgehalten werden mußten, sondern 1.000 Jugendliche aus der Techno- und Diskoszene, die doch tatsächlich die Frechheit besaßen, eine verbotene "Loveparade" unter dem Motto "Frankfurt schläft nicht - gegen die zunehmende Privatisierung öffentlicher Räume und gegen die Vertreibung von Minderheiten" zu veranstalten. Der Polizeieinsatz, der 28 Festnahmen und mehrere Verletzte forderte, zeigt deutlich, was, je nach Bedarf, als "Krawall" oder "Nicht-Krawall" eingestuft wird. Eintausend Menschen, die sich nicht nur die Köpfe in den vom Staat zur Verfügung gestellten "Kulturhallen" zudröhnen, sondern trotz alledem auf den bösen Gedanken kommen, sich in der Gesellschaft umzusehen, lernen das wahre Gesicht des Staates kennen. Interessant dabei ist, die Folgen zu beobachten: sind diese Jugendlichen ein für alle mal erschrocken, oder rebellieren sie in Zukunft, und das wieder, ohne um Erlaubnis zu bitten?

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Der anarchistische Totalverweigerer Marzio Mucitelli wurde endlich aus der Haft entlassen. Marzio saß insgesamt 10 Monate Haft ab. Zwei Monate wegen einer Besetzung, die restlichen 8 Monate wegen Desertion. Zuguterletzt entschloß er sich, die ihm vorgeschriebene Militäruniform im Knast nicht anzuziehen.

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Am 22. Juli findet in Paris die Verhandlung statt, die entscheiden wird, ob Massimo Passamani nach Italien ausgeliefert wird oder nicht.

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Am 12. Juni wurden in Berlin mehrere linke Wohnprojekte in besetzten und in legalisierten Häusern von sechs Staatsanwälten und 500 Polizisten durchsucht. Die Razzien richteten sich gegen angebliche MitarbeiterInnen der Redaktion der Interim. Dabei wurden teilweise ganze Straßenzüge von Hundertschaften der Polizei abgesperrt. Das Datum der Durchsuchungen wurde wohl nicht zufällig gewählt. Der 12. Juni ist der Erscheinungstag der Interim, der dem 13. Juni, dem zweiten Jahrestag der Polizeiaktion gegen angebliche Redakteure der radikal, am nächsten liegt.

Die Interim ist eine seit 9 Jahren in Berlin wöchentlich erscheinende Zeitschrift, die Diskussionen und politische Mobilisierungen aus der autonomen Linken wiedergibt. Sie wird bundesweit in vierstelliger Auflage vertrieben. Die von den Durchsuchungen Betroffenen schreiben in einer Erklärung: "Schönbohms (A.d.R.: als Berliner Innensenator für diese Durchsuchungen verantwortlich) Kriegserklärung ist angekommen, und wir werden darauf reagieren. Wer Repression sät, wird Revolte ernten."

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Mehrere Anschläge in Vall Susa richteten sich gegen den Bau einer Trasse für einen Hochgeschwindigkeitszug auf der Strecke Turin - Lyon. Die unbekannten GegnerInnen machten sich einen besonderen Spaß daraus, die Kabel der Telekom (vermutlich Glasfaserkabel) zu zerstören, und richteten scheinbar mit einfachen Mitteln einen bemerkenswerten Schaden an. Das Hochgeschwindigkeitsprojekt gilt als Verbindung zwischen Italien und dem östlichen Zentraleuropa und wird von Fiat, Ferrovie, Finifarina und weiteren italienischen und europäischen Unternehmen gefördert.

Nach Aussagen der ermittelnden Behörden und der italienischen Presse wurden die Sabotageaktionen von Individuen durchgeführt, die diese Region sehr gut kennen, und sich einfacher Mittel - wie z.B. Benzin - bedienten mit dem bewußten Vorhaben, dabei keine Menschen zu verletzen. Direkte Infos über "La sorciére".

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Auch mal eine gute Nachricht: Der Anarchisti Miguel Iglesisa, der im Juli 1996 in Barcelona festgenommen wurde, wurde aus der Haft entlassen. Ihm wurden sieben Anschläge vorgeworfen, von denen er sich zu dreien bekannte. Mit den restlichen vier jedoch hatte er nichts zu tun und wies sie von sich. Daran wäre nichts außergewöhnliches, hätte die spanische Presse die ganze Angelegenheit nicht soweit aufgebauscht, daß man einen Zusammenhang zwischen "BesetzerInnenszene" und "Terrorismus" hätte erblicken können. Miguel gilt als Individualist und genau das muß den spanischen Staatsdienern ein besonderer Dorn im Auge gewesen sein: keine Organisation, kein Bedarf an MitläuferInnen und trotzdem so aktiv?! Welche Frechheit! In der ersten Instanz forderte die Staatsanwaltschaft 17 Jahre Haft. In zweiter Instanz wurde Miguel jedoch zu einem Jahr Haft verurteilt, und konnte am selben Tag das Gefängnis verlassen.

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Anläßlich des EU-Gipfels in Amsterdam vom 14. Bis 17. Juni kam es zu verschiedenen Aktionen und Konfrontationen mit staatlichen Autoritäten. So wurden auf dem Centralbahnhof mehrere Hundert ItalienerInnen auf dem Weg zur Anti-EU-Demo aufgehalten, die das Lösen von Fahrscheinen und die Paßkontrollen verweigert hatten. Der Bahnhof wurde blockiert, um den Abtransport der italienischen DemonstrantInnen zu verhindern, die aber schließlich dennoch in zwei bewachten Zügen nach Italien abgeschoben wurden. Am 15. Juni wurden 350 Autonome bei einer Demo von den Bullen eingekesselt und in verschiedene Polizeigefängnisse in den Niederlanden verteilt. Bis zum 17. Juni werden 700 Menschen inhaftiert. Daraufhin kommt es in den verschiedenen Knästen zu regelrechten Haftrevolten, weil immer wieder ausländische DemonstrantInnen abgeschoben werden sollen.

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Im Fall der griechischen Anarchisten Dapergolas und Kalaremas (siehe Ausbruch März '97) haben sich die Dinge schlecht entwickelt. Es war sicher, daß Dapergolas verurteilt werden würde, deshalb wurde versucht, die Verhandlung hinauszuzögern, was aber nicht gelang. Kalaremas andererseits hatte bessere Aussichten, da es in seinem Fall widersprüchliche Zeugenaussagen gab. Schließlich wurden beide verurteilt: Dapergolas zu 7 Jahren und 8 Monaten, Kalaremas zu 11 Jahren. Chrysostomou, der zusammen mit Dapergolas festgenommen worden war, bekam 24 Jahre und 10 Monate (!).