Festnahmen in Spanien

Nach der spanischen bürgerlichen Presse geschah folgendes: Am 18. Dezember betraten vier Bankräuber die Zentrale der Banco Santander in Cordoba und erbeuteten fast eine Million Mark. Unvorhergesehen kam ein Geldtransporter, und ein Securitymensch betrat die Bank. Die vier entwaffneten ihn und nahmen ihn als Garantie für ihre eigene Unversehrtheit mit. Inzwischen wurde aber die Alarmanlage aktiviert, und die Gruppe mußte sich trennen. Einer der Bankräuber wurde etwas später in einem Hotel festgenommen, die drei anderen trafen am Ausgang der Bank auf eine Polizistin, die sie sah und anhielt. Die Bankräuber empfahlen ihr, einfach weiterzugehen, was sie schlauerweise auch tat. Die drei mit der Geisel stoppten ein Auto, ließen den Fahrer aussteigen (ein ehemaliger Sekretär der Sozialistischen Partei der Stadt) und versuchten zu flüchten, aber die Schlinge ihrer Verfolger zog sich immer enger. Ein Polizeiauto entdeckte die Flüchtigen und rammte heftig deren Auto. Die Verfolgten antworteten mit einer Ladung Munition, von der zwei Polizistinnen getroffen und getötet wurden. Andere Polizeiautos befanden sich aber schon im Hinterhalt und griffen das Fluchtauto mit Hunderten Schüssen an - in der Absicht zu töten (die vier überlebten nur dank der schußsicheren Westen, die sie trugen). Zwei der Bankräuber blieben mitsamt der Geisel schwerverletzt am Boden liegen, der dritte schaffte es, trotz seiner Verletzungen zu fliehen. Er wurde später von dem Fahrer verkauft, den er um eine Mitfahrgelegenheit gebeten hatte, und wurde noch am selben Abend etwa 40 km von Cordoba entfernt festgenommen.

In diesem Moment begann die Drecksarbeit der bürgerlichen Presse, die alle Fakten verdreht. Mit einer moralischer Lynchjustiz gleich der Inquisition wurden die vier von der Presse als "skrupellose Kriminelle" dargestellt, die mit einer "zynischen Klarheit agiert haben" und dabei zwei unschuldige Polizistinnen töteten, die rein zufällig vorbeikamen. Zuerst verschwiegen sie, daß die Geschosse, derentwegen der Securitytyp querschnittsgelähmt bleibt, aus Schußwaffen der Polizei stammten. Als das nicht länger verheimlicht werden konnte, erklärten sie, daß die Polizei nicht wußte, daß sich eine Geisel an Bord des flüchtigen Autos befand. Die Sicherheitsfirma erklärte im Gegenteil, daß sie von Anfang an die Polizei darauf aufmerksam gemacht hätte, daß sich einer ihrer Angestellten in dem Fluchtauto befand. Später wurde dann dem ehemaligen Securitymenschen, der nun im Rollstuhl sitzt, eine Auszeichnung durch die Regierung ausgehändigt.

Der Plan ist einfach durchschaubar: einen Konsens für den Staat zu schaffen, der in diesem Falle über die Solidarität mit den Sicherheitskräften erreicht werden soll, die als Opfer seelenloser und brutaler Monster wie den Gefangenen aus Cordoba gelten sollen.

Es gibt Opfer und "Opfer"

Am 28. November 1996, fast drei Wochen vorher, stirbt José Sánchez Camargo unter Umständen, die sogar von der bürgerlichen Presse als "obskur" bezeichnet werden. Nach einem Banküberfall in Cordoba stirbt er mit einem Todesschuß im Kopf, zwei Komplizen werden festgenommen. Die erste Version der Presse erzählt, daß Camargo bei einer Schießerei umgekommen ist. Später erklärt der Zivilgouverneur sogar, daß es sich um Selbstmord handelte. Letztendlich wird der Fall als "Zufallsschuß auf den Kopf bei einem Handgemenge" zu den Akten gelegt.

"Abgeschnittene Ohren und schnelle Schüsse"

Die in Cordoba festgenommen Genossen werden als Mitglieder einer "auf Entführungen spezialisierten Bande mit der Eigenart, den Familienangehörigen abgeschnittene Ohren der Geisel zuzusenden" etikettiert. Die Presse bevorzugt es, zu verschweigen, daß es sich um in Italien bekannte Anarchisten handelt, und erklärt sie zu ex-Terroristen, die sich der organisierten Kriminalität widmen. Um möglichen Mißverständnissen aus dem Weg zu gehen, wollen wir hervorheben, daß wir hier nicht über Geiselnahmen an sich in anarchistischen Zusammenhängen richten oder sie verherrlichen wollen. Wir versuchen nur zu analysieren, wie diese Fakten von der Untersuchungskommision benutzt werden, um unsere Genossen unglaubwürdig zu machen, indem sie als blutrünstige Monster dargestellt werden, und wie wir später sehen werden, ist Giovanni Barcia der einzige wegen Entführung angeklagte.

AnarchistInnen in Zusammenhang mit Entführungen und anderen illegalen Aktivitäten zu bringen ist eine Manie italienischer RichterInnen. Diese haben seit 1991 Giovanni und andere GenossInnen wegen der Teilnahme an der Entführung Silocchi angeklagt.

Dieses Theorem, welches von Improta konstruiert wurde, paßt sich dann 1996 dem Versuch des Staatsanwaltes Marini an, um möglichst lang möglichst viele "störende" AnarchistInnen einzusperren. Mit der Operation "Pontelungo" (Lange Brücke) erfinden sich die Inquisitoren eine Bande mit Namen O.R.A.I.

(...)

Die diffamierende Kampagne gegen diese Genossen wurde aus unterschiedlichen Gründen so heftig. Ein Grund dafür ist sicher, daß zwei Polizistinnen umkamen. Die Heuchelei des patriarchalen Apparates hat keine Grenzen: einerseits der scheinbar "demokratische Charakter" der Mächtigen, der die Präsenz von Frauen in seinen repressiven Strukturen verherrlicht als Zeichen der "Gleichberechtigung", die dem Kapital sehr nützlich ist; auf der anderen Seite die liebliche Maske der scheelsten Väterlichkeit mit der alten Idee des "schwachen Geschlechts", das ja so zart und sensibel sei. Ein sehr opportunistisches Selbstmitleid.

Wir zweifeln nicht daran, daß die zwei getöteten Polizistinnen sicherlich gute Freundinnen für ihre Freundinnen und Freunde waren: dies kann sicherlich sein, genau wie es sein könnte, daß eine der beiden außerhalb ihres Berufs eine gute Mutter ihrer Kinder war. Seit geraumer Zeit übten die beiden Frauen ihren Beruf aus. Sie hatten eine Uniform, Waffen und einen Haufen von Befehlen, denen sie untertan waren. Am Morgen des 18. Dezember waren sie Jägerinnen, sie haben im Namen des Lohnes und des Gesetzes agiert. Sie waren nichts anderes als vom Kapital bezahlte Söldnerinnen gegen Individuen, die auf der Flucht waren, um ihr Leben und ihre Freiheit zu verteidigen, nichts anderes.

Uns ist bewußt, das der Grund, der die ganze Angelegenheit zum Aufschrei macht, der ist, daß sie nicht ganz gewöhnlich abgelaufen ist. Üblich ist es, daß immer die "VerbrecherInnen" den kürzeren ziehen, und darüber regt sich kaum jemand auf. Nicht einmal ein Teil der GenossInnen, die an das kalte politische Kalkül gewohnt sind und polizeiliche Urteile fällen, die vorher noch nie gehört worden sind. Vielleicht zählen das Geschoß in Giorgios Hals, das ihm mit Lähmung bedroht, Giovannis und Claudios Wunden, die Folter, der Michele ausgesetzt wurde, in ihrer Werteskala sehr wenig.

Weitere Informationen

Die vier sind angeklagt, weitere Banküberfälle in Salamanca, Albacete und Zamora begangen zu haben. Drei von ihnen wären nach Polizeiangaben für den Angriff auf das italienische Konsulat in Malaga am 4. Dezember verantwortlich. Der Richter Marini hat beantragt, Giovanni und Michele auszuliefern oder sie in Spanien selbst verhören zu können.

Sie wurden brutal gefoltert, besonders Michele, der einzige, der zum Zeitpunkt seiner Festnahme noch nicht verletzt war. Er wurde ausgezogen und systematisch geschlagen und mit der Erstickungstechnik gefoltert, d.h. sein Kopf wurde in eine Plastiktüte gesteckt. Im Spezialgefängnis von Jaen streiken die Gefangenen gerade, um gegen die unmenschlichen Verhältnisse zu protestieren. Durchsuchungen, Zensur, Beschlagnahmung der Post, Schikanen durch die WärterInnen sind Alltag.

Unseren gefangenen GenossInnen widmen wir dieses Schreiben, für die Zerstörung jedes Knastes, für die Anarchie.

Komplizen im Herzen

Leicht gekürzt aus einem Text aus Spanien vom Januar 1997. Der vollständige Text kann bei uns in Spanisch angefordert werden.